Vorabentscheidungsantrag an den EuGH

Veröffentlicht am 9. März 2025 um 20:19

Sachverhaltsdarstellung:

A klagt beim BG Döbling auf Scheidung, das BG Döbling erklärt sich für unzuständig (weil der Kläger kein Österreicher ist) und weist die Klage zurück. Rekurs an das LGZ Wien, dieses gibt dem Rekurs nicht Folge, lässt aber den Revisionsrekurs dagegen zu. 

Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) gerichtet, um zu klären, ob die Bevorzugung der eigenen Staatsbürger bei der Festlegung eines Scheidungsgerichtsstands einen Verstoß gegen das Primärrecht der Europäischen Union (insbesondere das Diskriminierungsverbot) darstellt. Der EuGH hat entschieden, dass dies nicht der Fall ist. Demnach ist es zulässig, dass ein österreichischer Staatsbürger bereits nach einem Aufenthalt von sechs Monaten die Zuständigkeit eines österreichischen Gerichts in Anspruch nehmen kann, während dies für Staatsbürger anderer Mitgliedstaaten erst nach einer Aufenthaltsdauer von einem Jahr möglich ist.

a) Im vorliegenden Fall hat der Oberste Gerichtshof (OGH) nun die Antwort des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) erhalten, dass die Norm mit dem Unionsrecht in Einklang steht. Frage: Wie wird das nationale Verfahren fortgesetzt?

b) Wie wäre der Fall zu beurteilen, wenn der EuGH zu einer gegenteiligen Entscheidung gelangt wäre und festgestellt hätte, dass auch dem Kläger das österreichische Gericht bereits nach Ablauf von sechs Monaten zugänglich sein müsse? Welche Entscheidung wäre der Oberste Gerichtshof in diesem Fall im Rahmen des Revisionsrekurses verpflichtet zu treffen?

c) Gibt es dennoch eine Möglichkeit für den Kläger, die Scheidungsverhandlung in Österreich durchführen zu lassen? Welche Schritte wären in einem solchen Fall erforderlich?

Die für Entscheidungen über Ehescheidungen, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe anzuwendenden Zuständigkeitskriterien sind in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 festgelegt.Der Beschluss des Bezirksgerichts (BG) wurde im Wege eines Rekurses an das Landesgericht für Zivilsachen Wien (LGZ Wien) weitergeleitet. In weiterer Folge bestätigte das Landesgericht für Zivilsachen Wien die Rechtsauffassung des Bezirksgerichts durch einen eigenen Beschluss. Daraufhin wurde der Oberste Gerichtshof (OGH) mittels Revisionsrekurses angerufen. In diesem Zusammenhang richtete der Oberste Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV an den Europäischen Gerichtshof (EuGH), um eine Ungleichbehandlung und damit eine mögliche Verletzung des Diskriminierungsverbots zu vermeiden. Der Antragsteller reichte bereits nach einem Aufenthaltszeitraum von lediglich sechs Monaten einen Antrag auf Eheauflösung beim Bezirksgericht Döbling ein. Dieser Antrag wurde durch das Bezirksgericht mittels Beschluss abgewiesen, da die Zuständigkeit gemäß den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 nicht gegeben war. Die genannte Verordnung verfolgt primär das Ziel, eine missbräuchliche Herbeiführung der Gerichtszuständigkeit eines bestimmten Staates durch den Antragsteller zu verhindern. Das in Artikel 18 AEUV verankerte und auszulegende Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit findet in diesem Fall keine Anwendung. Dies ist darauf zurückzuführen, dass auch Personen, die nicht im Besitz der Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaates sind, die Möglichkeit eingeräumt wird, nach Ablauf der vorgesehenen Aufenthaltsdauer einen gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Diese Möglichkeit wird gleichermaßen gewährleistet. Darüber hinaus steht es den Antragstellern unabhängig von der Aufenthaltsdauer zu, ein dem Sachverhalt entsprechendes Ansuchen bei den nationalen Gerichten einzureichen, um eine rechtliche Entscheidung herbeizuführen, sofern ein gewöhnlicher Aufenthalt festgestellt werden kann.

Die Zuständigkeit der nationalen Gerichte in den betreffenden Mitgliedstaaten basiert maßgeblich auf der Auslegung des gewöhnlichen Aufenthalts der betroffenen Ehegatten. Aus der Verordnung ergibt sich, dass ein Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat nachweisen kann, sofern er sich mindestens ein Jahr unmittelbar vor der Antragstellung in dem entsprechenden Hoheitsgebiet aufgehalten hat. Sollte der Antragsteller jedoch die Staatsangehörigkeit des betreffenden Mitgliedstaates besitzen, genügt ein nachgewiesener Aufenthalt von mindestens sechs Monaten, um den gewöhnlichen Aufenthalt zu begründen. Bei der Bewertung des gewöhnlichen Aufenthalts ist die Dauer des Aufenthalts allerdings nicht das alleinige Kriterium. Von zentraler Bedeutung ist die Frage, ob eine Person eine enge und dauerhafte Verbindung im Zusammenhang mit ihrem Aufenthaltsort nachweisen kann. Bei Staatsangehörigen wird aufgrund des besonderen Näheverhältnisses, das durch die verliehene Staatsbürgerschaft besteht, der gewöhnliche Aufenthalt in der Regel nach einem Zeitraum von sechs Monaten begründet. Die Bewertung erfolgt stets auf Grundlage der tatsächlichen Gegebenheiten, wobei Aspekte wie soziale und familiäre Integration sowie die wirtschaftliche und soziale Existenz gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Sofern das zuständige Gericht der Auffassung ist, dass eine Rechtssache eine grundlegende Entscheidung erfordert, die die Einheit oder Kohärenz des Unionsrechts beeinflussen könnte, hat es die Möglichkeit, die Angelegenheit zur abschließenden Klärung an den Gerichtshof der Europäischen Union zu verweisen.

a) Die sachliche Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ergibt sich aus Art. 256 Abs. 3 AEUV. Der Gerichtshof stellte fest, dass die nationale Rechtsprechung sowie die daraus resultierende Rechtsentscheidung im vorliegenden Sachverhalt unionsrechtskonform sind. Somit entfaltet auch die auf Basis eines Beschlusses ergangene nationale Rechtsprechung uneingeschränkte Gültigkeit. Die im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens ergangene Entscheidung des EuGH ist für die vorlegenden Gerichte bindend und bei der Beurteilung gleichgelagerter Rechtsfälle in anderen Verfahren zu berücksichtigen. Die durch den EuGH ergangenen Auslegungsurteile besitzen eine eingeschränkte Erga-Omnes-Rechtskraft. Die nationalen Gerichte der Mitgliedstaaten sind verpflichtet, das Unionsrecht gemäß der Auslegung des EuGH anzuwenden.

b) Vorabentscheidungsurteile können unter bestimmten Voraussetzungen eine rückwirkende Wirkung im Sinne von ex tunc entfalten. Sollte eine rechtliche Entscheidung nationaler Gerichte innerhalb eines Mitgliedstaates im Widerspruch zu den Vorgaben der Europäischen Union stehen, ist diese rückwirkend aufzuheben. In Fällen erheblicher Verfahrensverstöße oder wesentlicher Missachtungen grundlegender Verfahrensgrundsätze kann das Urteil vom Obersten Gerichtshof (OGH) aufgehoben und zur neuerlichen Verhandlung an die Erstinstanz zurückverwiesen werden. Ebenso können Nichtigkeitsgründe oder gravierende Verfahrensmängel eine Zurückverweisung rechtfertigen. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass der Rekurs aus formalen Gründen zurückgewiesen oder eine Klage aufgehoben und das Verfahren beendet wird. In einem solchen Fall verweist der OGH die Angelegenheit zur weiteren Bearbeitung an das Bezirksgericht (BG) zurück.

c) Der Kläger hat die Möglichkeit, bei Bestehen auf ein Verfahren in Österreich, eine Frist von weiteren sechs Monaten abzuwarten, um die Voraussetzungen der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 zu erfüllen. In diesem Zusammenhang wäre es erforderlich, dass die klagende Partei eine ununterbrochene Aufenthaltsdauer von mindestens einem Jahr nachweist. Angesichts der bereits verstrichenen Verfahrensdauer ist diese Frist jedoch abgelaufen, sodass der Kläger die Option hätte, eine erneute Klage zur Aufhebung des Ehebandes in Österreich einzureichen. Eine weitere Option für den Kläger könnte darin bestehen, ein Verfahren im EU-Ausland anzustrengen, sofern dort eine Zuständigkeit nach der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 gegeben ist. Hierbei wären die Wohnsitze oder die Staatsangehörigkeiten beider Parteien von zentraler Bedeutung, um die gerichtliche Zuständigkeit des jeweiligen Landes zu bestimmen. Ein solches Verfahren könnte unter Umständen schnellere Ergebnisse liefern, insbesondere wenn das dortige Rechtssystem weniger strenge Voraussetzungen für die Antragsbearbeitung vorsieht. All dies setzt jedoch eine sorgfältige Prüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen voraus.

Kommentar hinzufügen

Kommentare

Es gibt noch keine Kommentare.