Zuständigkeitsfragen können komplex sein, da sie von verschiedenen Faktoren abhängen, wie z.B. dem Wohnsitz der Parteien, dem Ort des Vertragsabschlusses oder dem Schadensort. Eine korrekte Einschätzung der Zuständigkeit kann entscheidend für den Ausgang eines Verfahrens sein, da sie nicht nur die rechtliche Strategie, sondern auch die Dauer und die Kosten eines Prozesses beeinflusst. Lernen Sie, wie Sie die relevanten Vorschriften des Zivilprozessrechts anwenden können, um die Zuständigkeit in Ihrem Fall zu bestimmen. Nutzen Sie diese Informationen, um sich besser auf Ihren Prozess vorzubereiten und Ihre rechtlichen Interessen effektiv zu vertreten. Ein fundiertes Verständnis der Zuständigkeitsregeln kann Ihnen helfen, mögliche juristische Hindernisse frühzeitig zu erkennen und zu überwinden.

Sachverhaltsdarstellung:
- Herr C (wohnhaft in Wien 15, Betreiber eines Chinarestaurants in Mödling) klagt den Gemüsehändler Herr W (wohnhaft in Wien 12) auf Bezahlung von EUR 16.000,--. Er bringt dazu vor, dass ihm Herr W um diesen Betrag verdorbene Ware geliefert hätte. Er macht Gewährleistung und Schadenersatz geltend. Herr W ist ein Einzelunternehmer (Geschäft in Wien 10), der nicht im Firmenbuch eingetragen ist. Das angerufene Handelsgericht Wien erlässt einen Zahlungsbefehl. Nach „leerem“ Einspruch wendet der Anwalt von Herr W in der vorbereiteten Tagsatzung ein, dass das angerufene Gericht sachlich unzuständig sei. In Wahrheit sei das LGZ Wien zuständig. Die Rechtsanwältin von Herr C beantragt für den Fall, dass das HG Wien seine Unzuständigkeit ausspricht die Überweisung an das LGZ Wien. Mit seinem in der Verhandlung verkündetem Beschluss spricht das HG Wien seine Unzuständigkeit aus und überweist die Rechtssache an das „nicht offenbar unzuständige“ LGZ Wien.
- Fragestellungen:
- Welche Gerichte wären örtlich und sachlich zuständig?
- Erfolgten die Beschlüsse zu Recht?
- Was kann gegen die Beschlüsse noch unternommen werden?
- Kann das LGZ Wien seine allfällige Unzuständigkeit noch aufgreifen?
- Falllösung:
Zu prüfen sind, ob alle Prozessvoraussetzungen ordnungsgemäß erfüllt sind. Dabei unterscheidet man zwischen Gerichtsbezogenen, Parteibezogenen und Streitgegenstandsbezogenen Prozessvoraussetzungen. Diese werden nochmals in Allgemeine/Besondere Prozessvoraussetzungen unterteilt und in Relative/Absolute Prozessvoraussetzungen. Zunächst liegt es in der Verantwortung der Gerichte eine Klagsprüfung (limine litis) durchzuführen. Dieses Begründen sich auf den Behauptungen und Angaben der Klagenden Partei, diese hat amtswegig zu erfolgen.[1]
Inländische Gerichtsbarkeit:
Folglich ist zu prüfen, ob die inländische Gerichtsbarkeit und folglich die Anwendung von österreichischem materiellen Recht zu erfolgen hat. Dabei sind Vereinbarungen nach § 104 ZPO zu berücksichtigen. Die inländische Gerichtsbarkeit ist die Voraussetzung für die örtliche Zuständigkeit des Gerichts.
Zuständigkeiten:
Die Prüfung der Zuständigkeit unterteilt sich wie folgt: Sachliche, örtliche und funktionelle Zuständigkeit.
Sachliche Zuständigkeit:
Bei der Prüfung, ob eine sachliche Zuständigkeit besteht, unterscheidet man zwischen der Allgemeinen Gerichtsbarkeit und der Kausalgerichtsbarkeit. Dabei ist die Eigenzuständigkeit vorrangig gegenüber dem Wert des Streitgegenstandes zu berücksichtigen. Entsprechende Eigenzuständigkeiten sind der JN zu entnehmen, dabei sind besondere Zuständigkeiten zu berücksichtigen. Die Frage, ob das Handelsgericht Wien zuständig ist, ist gemäß § 51 JN zu prüfen. Die Höhe des Streitgegenstandes beträgt EUR 16.000, somit ist die Wertzuständigkeit über EUR 15.000 erfüllt. Zudem handelt es sich bei dem Rechtsgeschäft um ein unternehmensbezogenes Geschäft. Problematisch ist jedoch, dass die Klage gegen einen im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer zu erfolgen hat. Jedoch ist Herr W als Betreiber eines Einzelunternehmens nicht im Firmenbuch eingetragen. Folglich ist § 51 Abs. 1 JN als solches nicht erfüllt. Weiters sind die in § 51 JN taxativ aufgelisteten Eigenzuständigkeiten nicht auf den Sachverhalt anzuwenden.
- Örtliche Zuständigkeit:
Dabei prüft man zunächst, bei welchem Gericht die Klage einzubringen ist, dabei ist die
Frage des zuständigen Sprengels erheblich. Weiter ist zu unterscheiden zwischen einem Allgemeinen Gerichtsstand und einem Besonderen Gerichtsstand. Sowie bei einem Wahlgerichtsstand und einem ausschließlichen Gerichtstand. Der Allgemeinen Gerichtsstand ist anhand des Wohnsitzes und dem gewöhnlichen Aufenthalt der Beklagten Partei zu bestimmen. Da beide Parteien wohnhaft in Wien sind, besteht die Zuständigkeit eines Gerichts in Sprengel Wien. Weiters ist keine zwischen den Parteien ausgehandelte Vereinbarung über einen Wahlgerichtstand bekannt. Denn gemäß § 104 JN kann die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes bestimmt werden, sofern kein Zwangsgericht gerichtlich vorgesehen ist. Folglich ist in diesem Fall das Landesgericht für Zivilsachen in Wien zuständig.
- Frage der Sachlegitimation:
Diesfalls ist zu prüfen, ob ein Anspruch als solcher überhaupt besteht und die Forderung somit gültig ist. Sowie ob eine Aktivlegitimation seitens des Klägers besteht. Da es sich bei dem vorliegenden Sachverhalt, um zwei Unternehmer gemäß des UGB handelt, ist folglich zu prüfen, ob eine entsprechende Mangelrüge gemäß § 377 UGB über die verdorbene Ware erfolgt ist.
Anders als im Sachverhalt des 1.1, weist das Gericht nicht selbständig die Klage zurück im Zuge einer Prüfung von Amtswegen aufgrund einer Unzuständigkeit, sondern erlässt einen Zahlungsbefehl. Erst nachdem der Zahlungsbefehl bereits erlassen wurde, erhebt die Beklagte Partei durch den Rechtsanwalt, welche als Klagevertreter in der Rechtssache Herrn W, in der vorbereiteten Tagsatzung ein, dass das Handelsgericht Wien sachlich nicht zuständig ist. Da bereits ein Zahlungsbefehl gegen die Beklagte Partei erlassen worden ist, ist die Abweisung der Klage nur dann möglich, wenn die in § 43 JN genannten Ausnahmen erfüllt sind. Erst wenn diese Anforderungen zutreffen, kann eine Unzuständigkeit festgestellt werden.
Eine Zurückweisung der Klage a limine ist somit auch nicht mehr möglich, da die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist. Eine der genannten Ausnahmen ist laut § 43 Abs. 1 JN, die rechtzeitige Einrede des Beklagten. Die Einrede des Beklagten wurde in der vorbereitenden Tagsatzung erhoben, fraglich ist dabei, ob das Element der Rechtzeitigkeit der Einrede somit erfüllt ist oder bereits bei Erlass des Zahlungsbefehls eine Einrede notwendig gewesen wäre. Wäre Herr Wang ohne Rechtsbeistand zur Verhandlung erschienen, hätte dieser über die sachliche Unzuständigkeit belehrt werden müssen, um folglich eine Einrede zu erheben.[2] Jedoch ist dies hierbei nicht relevant, da der Streitgegenstand mehr als EUR 5000 beträgt und somit eine absolute Anwaltspflicht herrscht.
Da mit dem Erlass des Zahlungsbefehls, das Stadium der Streitanhängigkeit bereits eintritt, hätte der Beklagte die Möglichkeit gehabt die Einrede der Unzuständigkeit mittels Klagebeantwortung zu erheben gemäß § 230 ZPO. Die erhobene Prozesseinrede des Rechtsanwaltes der Beklagten Partei wäre in der vorbereitenden Tagsatzung zu spät gewesen und die Tatsache, dass das Handelsgericht Wien sachlich nicht zuständig ist, wäre somit unerheblich da diese Prozess gemäß § 43 JN heilen würde. Wäre seitens der Beklagten Partei keine Klagebeantwortung erhoben worden, hätte Herr C als Klagende Partei ebenso ein Versäumnisurteil beantragen können. Die Einrede hätte somit in der Klagebeantwortung erfolgen müssen. Dies setzt jedoch voraus, dass Herr W durch einen Rechtsbeistand vertreten war, da in diesem Fall eine absolute Anwaltspflicht herrscht.[3]
Folglich ist die Überweisung an das LGZ Wien mittels eines Überweisungsantrages nur dann möglich, wenn die Beklagte Partei rechtzeitig Einrede erhebt, da das Adressatgericht aufgrund einer Bindungswirkung die Klage nicht mehr abweisen kann.[4] Eine Heilung gemäß § 104 Abs.3 JN ist jedoch bereits erfolgt, da Herr Wang durch seinen Rechtsanwalt vertreten ist und bereits ein leerer Einspruch erfolgt ist. Denn die Klagebeantwortung dient gemäß § 239 Abs 3 ZPO dazu die Unzuständigkeit anzumerken.[5]
[1] § 41 JN
[2] ScheuerinFasching/Konecny3 vor §41JN
[3] § 27 ZPO
[4] Mayr in Fasching/Konecny3 III/1 § 230a ZPO
[5] Mayr in Fasching/Konecny3 III/1 § 230a ZPO
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