Zuständigkeitsfragen - Zivilprozessrecht Teil 1

Veröffentlicht am 7. März 2025 um 17:33
  • Sachverhaltsdarstellung

Die A-GmbH aus Wien begehrt mit ihrer Klage von Hans Bauer vor dem Handelsgericht Wien die Herausgabe eines Sportwagens der Marke Mercedes (ohne dieses Begehren zu bewerten). Alternativ stellt sie ein Zahlungsbegehren über EUR 31.000, -- sA. Die Klägerin brachte vor, dass sie das Auto als Eigentümerin an den Beklagten vermietet habe. Der Mietvertrag sei von ihr wegen Verzugs der Mietzahlungen aufgelöst worden. Der Beklagte verweigere die Ausfolgung des Geräts. Der Listenpreis des Geräts betrage EUR 31.000, --. Die Zuständigkeit des Erstgerichts sei ausdrücklich vereinbart worden. Die entsprechende Gerichtsstandvereinbarung sei auch unabhängig von einer Eintragung des Beklagten in das Firmenbuch rechtswirksam. Der Beklagte wird im Rubrum der Klage als Inhaber von B-GmbH und im Vorbringen als Unternehmer in Hartberg bezeichnet. Das angerufene Gericht weist die Klage a limine zurück.


Falllösung – Zuständigkeiten

Fragestellungen:

-  Welche Gerichte wären örtlich und sachlich zuständig?

-  Erfolgten die Beschlüsse zu Recht?

- Was kann gegen die Beschlüsse noch unternommen werden?

 

  • Falllösung - Prüfung der Zuständigkeit

    Die Zuständigkeit der inländischen Gerichte, ist eine Prozessvoraussetzung, die im Einzelfall zu prüfen ist. Dabei unterscheidet man zwischen der sachlichen, örtlichen und funktionellen Zuständigkeit.[1] Es liegt im Aufgabenbereich der jeweiligen Gerichte zu prüfen, ob die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes gegeben ist.

    Eine Prüfung hat von amtswegen zu erfolgen.[2] Die Angaben des Klägers sind dabei zu berücksichtigen, sofern dem Gericht nicht bereits vorab bekannt ist, dass es sich bei den in der Klage enthaltenen Informationen, um unrichtige Angaben handelt.[3]

     Die Klage muss seitens der Gerichte vor allem, dann abgewiesen werden, wenn die Tatbestandselemente des § 42 JN erfüllt sind, jedoch auch wenn andere Gründe für die Unzuständigkeit des Gerichtes bestehen.[4]Entsprechende Gründe die gegen eine Abweisung der Klage sprechen, sind in taxativ in § 43 JN aufgelistet. Bei dem hier angeführten Streitwert handelt es sich um eine Gesamtsumme von rund EUR 31.000 s.A. Folglich ist die gesetzliche Wertgrenze für die Zuständigkeit der Bezirksgerichte mit rund 15.000 EUR damit überschritten worden. Zudem erfüllt der Sachverhalt, keine der angeführten Elemente welche in § 49 JN die Relevanz des Streitgegenstandes unbeachtet lassen. Dem Sachverhalt zu folge, begehrt die Klägerin mit der eingebrachten Klage einerseits die Herausgabe des Druckgeräts, welches im Zuge des Mietverhältnisses zur Verfügung gestellt wurde, sowie andererseits auch ein alternatives Zahlungsbegehren in Geld. Dabei wurde für die Berechnung der für das Gerät zu zahlender Marktwert herangezogen. Folglich sind die EUR 31.000 s.A  gemäß § 56 JN als Streitgegenstand anzuerkennen.[5] Folglich ist die Zuständigkeit des Handelsgerichtes zu prüfen.

[2] § 41 Abs. (1) JN

[3] § 41 Abs. (2) JN

[4] § 43 Abs. (1) JN

[5] § 56 Abs. (1) JN

Prüfung der Zuständigkeit des Handelsgerichts

Zunächst ist zu prüfen, ob eine Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien und die damit verbundene Kausalgerichtsbarkeit, gemäß § 51 JN besteht oder die Zuständigkeit bei einem anderen Gericht, wie etwa beim Handelssenat des Landesgerichts in der Steiermark besteht.[1] Da der Streitgegenstand die Wertgrenze von EUR 15.000 übersteigt, ist dies in diesem Fall unproblematisch. Jedoch lässt der Sachverhalt darauf schließen, dass der Beklagte zwar der Inhaber von „Meet US“ ist, jedoch nicht im Firmenbuch eingetragen ist. Dies ist besonders dahingehend zu berücksichtigen, da § 51 Abs.1 Ziffer 1JN, die Klage gegen einem im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer als Voraussetzung für die Erfüllung des entsprechenden Paragrafen nennt. Jedoch weist der Sachverhalt klar darauf hin, dass die Eintragung des Herrn Müller im Firmenbuch nicht unbedingt erforderlich ist, für die jeweilige Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien. Denn der Sachverhalt weist ebenso darauf hin, dass die Parteien die Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien als solches, durch eine im einzelnen ausgehandelte Parteienvereinbarung beschlossen haben. Dies ist besonders im Zuge der Privatautonomie und der Vereinbarung eines Wahlgerichtstandes zu berücksichtigen.

Gemäß § 104 JN ist die Vereinbarung über die Zuständigkeit der Gerichte möglich, sofern dies von den Parteien ausdrücklich vereinbart worden ist. Zudem trifft keiner der im § 104 JN, taxativ aufgezählten Ausnahmen auf den Sachverhalt zu. Es ist anzunehmen, dass aufgrund des vereinbarten Mietverhältnisses, die Zuständigkeit des Handelsgerichtes Wien im Mietvertrag enthalten ist. Die Fassung der Vereinbarung in Form einer Urkunde ist gemäß dem Paragrafen § 104 JN Abs. 1 zu berücksichtigen: Da der Nachweis in Form einer Urkunde als Voraussetzung für die Erfüllung der Vereinbarung des Wahlgerichtsstandes erbringt werden muss: Die Vereinbarung muß urkundlich nachgewiesen werden; eine sonstige Voraussetzung muß nicht erfüllt sein.[2]

Eine weitere Beschränkung der eigenständigen Vereinbarung über das Wahlgericht des Handelsgerichts Wien wäre dann erfüllt, wenn Herr Bauer kein Unternehmer im Sinne des UGB wäre. Denn dann ist das Konsumentenschutzgesetz vorrangig anzuwenden. Gemäß §14 KSchG könne somit die Wirksamkeit der vereinbarten Gerichtsstandsvereinbarung gehemmt werden. Somit wäre das Handelsgericht Wien nicht zuständig gewesen.

Gegen die vom Handelsgericht Wien abgewiesene Klage a limine, kann seitens der Klägerin ein Rekurs erhoben werden da dieser mittels Zurückweisungsbeschluss erfolgt.

Fraglich ist es, ob der Klagenden Partei die Möglichkeit eingeräumt wurde einen entsprechenden Überweisungsantrag gemäß § 230 ZPO an ein anderes Gericht zu stellen. Jedoch ist die Frage nach der Möglichkeit der Erhebung des Überweisungsantrages in diesem Fall unabhängig davon zu beurteilen, denn diese können gleichzeitig mit dem Rekurs erhoben werden.

Eine örtliche Zuständigkeit des Handelsgericht Wien ist gegeben und eine Zurückweisung der Klage A-Limine hat aufgrund einer örtlichen Unzuständigkeit nicht zu erfolgen. Weiters lässt der Sachverhalt keine Zweifel erahnen, dass vorausgesetzte Prozessvoraussetzungen nicht erfüllt worden sind. Somit ist eine Abweisung A-Limine nicht verständlich, da auch keine sachliche Unzuständigkeit besteht.

[1] § 51 Abs. (3) JN

[2] § 104 Abs. (1) JN

Weiters muss den Parteien die Möglichkeit eingeräumt werden, das nicht Bestehen der erforderlichen Prozessvoraussetzungen, durch einen Sanierungsversuch zu verbessern und zu diese zu erfüllen.[1] Weiters kann eine Zurückweisung der Klage auch dann erfolgen, wenn die in der Klage enthaltenen Angaben unklar oder unvollständig sind, doch auch dann hat die Klagenden Partei aufgrund eines Antrages auf Verbesserung, diese Mängel auszuräumen.[2]

Dem Sachverhalt ist nicht zu entnehmen, warum das angerufene Gericht, die Entscheidung A-Limine zurückgewiesen hat, denn dies kann aufgrund einer sachlichen, örtlichen und individuellen Unzuständigkeit erfolgen.[3] Ist der Grund für eine Zurückweisung der Klage aufgrund einer sachlichen Unzuständigkeit, dann ist diese Entscheidung gemäß § 46 JN für jedes Gericht bindend. Die Zurückweisung der Klage A – Limine erfolgt mittels eines Beschlusses.

Bei der sachlichen Unzuständigkeit tritt die Bindungswirkung auch dann ein, wenn die Rechtsentscheidung nicht richtig war. Diese allgemeine Bindungswirkung ist bei ausschließlich einer örtlichen Unzuständigkeit nicht gegeben.[4] Weiters ist zu beachten, dass eine Klagsprüfung gemäß §41 JN in limine litis nur entsprechend der Angaben des Klägers erfolgt.[5]

Die Frage welches Gericht für den jeweiligen Fall zuständig ist, ist im Einzelfall zu prüfen und ist abhängig von dem entsprechenden Sachverhalt. Dabei unterscheidet man zwischen der allgemeinen Gerichtsbarkeit und der Kausalgerichtsbarkeit. Diese beiden Gerichtstypen sind besonders auch dahingehend nach der Abgrenzung der Eigenzuständigkeit und Wertzuständigkeit unterscheiden[6] Da in diesem Fall die Klage beim Handelsgericht Wien eingebracht worden ist, ist zu prüfen, ob die Kausalgerichtsbarkeit überhaupt besteht und die Zuständigkeit gemäß § 51 JN erfüllt ist. Die Klage hat folglich gegen einen im Firmenbuch eingetragenen Unternehmer zu erfolgen.

Laut dem Sachverhalt ist Herr Bauer Inhaber von B-GmbH, wobei anzunehmen ist, dass es sich dabei um den Firmennamen des Unternehmens handelt. Die genaue Rechtsform des Unternehmens ist dabei nicht bekannt. Jedoch wird Herr Müller in der Klage als Unternehmer bezeichnet. Zudem wird im Sachverhalt erwähnt, dass die Gerichtsstandsvereinbarung auch dann gilt, wenn der Beklagte nicht im Firmenbuch eingetragen ist. Folglich wäre es im Hinblick auf die Haftung, interessant zu wissen, ob es sich bei der Firma um eine Personengesellschaft oder um eine Kapitalgesellschaft handelt und in welcher Form Herr Bauer für das Unternehmen zuständig ist.

Denn eine Eintragung von Personengesellschaften im Firmenbuch ist nur unter bestimmten Voraussetzungen notwendig, jedoch nicht immer zwingend. Denn in diesem Zusammenhang könnte man sich die Frage stellen, ob die Anschaffung des Kopiergeräts von Herrn Bauer im Zuge der Unternehmensgründung vereinbart wurde. Folglich wären Prorogationsbeschränkungen zu berücksichtigen. Entsprechende Geschäfte die ein zukünftiger Unternehmer abschließt im Zuge der Unternehmensgründung sind gemäß § 1 Abs.3 KschG keine dem Betrieb zuzurechnenden Geschäfte, womit die Anwendung des Konsumentenschutzgesetzes zu erfolgen hat und eine Gerichtsstand Vereinbarung gemäß §14 KschG nur beschränkt möglich ist. Da der Gerichtsstand sich in dem Fall nach dem gewöhnlichen Aufenthalt und dem Wohnsitz des Verbrauchers richtet.

 

[1] Planitzer in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 230 ZPO

[2]  Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen (2017) RZ 726, S. 417

[3] Schneider in Fasching/Konecny3 § 46 JN

[4] SchneiderinFasching/Konecny3 §46JN

[5] Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen (2017) RZ 343, S.157

[6] Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen  (2017) RZ 272, S.129

 

Zurückweisung der Klage wegen sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit:

Wird die Klage aufgrund einer bestehenden sachlichen oder örtlichen Unzuständigkeit zurückgewiesen, kann die Klägerin einen Überweisungsantrag gemäß § 261 Abs 6 ZPO stellen.[1] Diesem Antrag ist stattzugeben, sofern keine Gründe bekannt sind, welche dafür sprechen, dass die Unzuständigkeit des anderen Gerichts offenbar erkennbar ist.[2] Wird die Klage jedoch zurückgewiesen ohne, dass die Klägerin die Möglichkeit erhält einen Überweisungsantrag zu stellen, kann die Klagende Partei gemäß § 230 a ZPO innerhalb einer Notfrist von 14 Tagen beginnend ab Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses, die Zuweisung der Klage an ein anderes Gericht beantragen.[3]

 

[1] Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen (2017) RZ 333, S.152

[2] § 261 Abs. 6 ZPO

[3] Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen (2017) RZ 333, S.152

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